Burnout: Brennen oder Ausbrennen?

"Fachartikel" zur Thematik ADHS und Burnout: Brennen oder Ausbrennen?

MSc Ben Kneubühler, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Unser Leben besteht aus  sich abwechselnden Phasen erhöhter Aktivierung und Entspannung. Dauert der Stress länger an, wird der Organismus geschädigt, die Folgen sind Burnout, Depression oder andere psychische und körperliche Erkrankungen. Das Burnout- Syndrom ist ein Phänomen unserer heutigen Gesellschaft: der Anforderungsdruck bei der Arbeit steigt, Multitasking, moderne Kommunikationsmittel und die Vermischung von Freizeit und Arbeit tragen ihren Teil zum  Stress bei. Auch in der Freizeit: Fernsehen, Chatten und Shoppen kosten auch Energie und sind  nicht immer  Erholung und verhindern somit das nötige Herunterfahren.

Fortwährender Stress bei der Arbeit kann zum Burnout Syndrom führen. Stress entsteht dann, wenn die Anforderungen unsere Handlungsmöglichkeiten übersteigen – es kommt zu einem Ungleichgewicht. Auslöser dafür können zum einen äussere Umstände wie Zeitdruck, zwischenmenschliche Kontakte, aber auch Langeweile/Unterforderung, also sogenannte „externe Stressoren“ sein. Aber auch negatives Denken, Selbstzweifel und  Schuldgefühle, also  „interne“ Stressoren“ spielen eine Rolle. Unser Körper reagiert darauf, indem das Herzkreislaufsystem aktiviert wird, der Blutzucker ansteigt, sich die Muskeln anspannen und alle kurzfristig nicht überlebenswichtigen Funktionen wie die Verdauung oder der Sexualtrieb reduziert werden. Dies ist an sich  noch kein Problem, sondern eine natürliche körperliche Reaktion, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Stress kann somit zu einer positiven Anpassung und  Weiterentwicklung führen. Das Yerkes-Dodson Gesetz beschreibt, dass die optimale Leistungsfähigkeit bei mittlerer Aktivierung am höchsten ist.

Ob Stressoren, also Auslöser von Stress, mit denen wir jeden Tag konfrontiert sind, letztlich auch krank machen, hängt sehr davon ab, wie die Stress-Situation und die Reaktion darauf wahrgenommen, verarbeitet und bewertet wird. So wird etwa die Ankündigung eines Referates von manchen Personen als Herausforderung und Möglichkeit sich zu profilieren gesehen, bei anderen löst die gleiche Situation Panik aus. Es ist zudem entscheidend, welche Gegen- bzw. Schutzmassnahmen vorhanden sind. Bei allen genannten Faktoren unterscheiden sich Menschen mit ADHS von Menschen ohne ADHS grundlegend.

Die verminderte Stresstoleranz als Symptom bei Erwachsenen mit ADHS wurde bereits vor mehr als 10 Jahren von Paul Wender in den USA beschrieben. Experimentelle Untersuchungen in Deutschland (Lackeschewitz, 2008), konnten wenig später aufzeigen, dass Menschen mit ADHS bei einem Stresstest stärker reagierten als Menschen ohne ADHS. Die Teilnehmenden mussten ein Vorstellungsgespräch bewältigen und Mathematikaufgaben unter Zeitdruck lösen. Sowohl beim subjektiven Erleben wie auch bei objektiven Kriterien wie der Messung des Stresshormons Cortisol im Speichel und bei der Herzfrequenz zeigten Menschen mit ADHS erhöhte Werte.

In einer Untersuchung über „Workaholismus“ wurde erst in diesem Jahr ADHS als Risikofaktor gefunden (Andreassen, 2016). ADHS könnte also dazu zu führen, dass Menschen sich übermässig für die Arbeit engagieren. Der oben beschriebene Zusammenhang zwischen Aktivitätsniveau und Leistung könnte wegen dieser Mechanismen bei ADHS anders aussehen: Erstens wird eine Unteraktivierung als unangenehm wahrgenommen. Gleichzeitig laufen sie aber eher Gefahr, wegen der verstärkten Stressreaktion einen Leistungsabfall zu erleben.

Letztlich führen auch die ADHS-Symptome selbst zu zusätzlichem Stress: Aufmerksamkeitsdefizite begünstigen Fehler, Vergesslichkeit führt zu Leerläufen, Desorganisation und Probleme mit Routine und Disziplin führen zu Zeitdruck, Impulsivität beeinflusst zwischenmenschliche Kontakte, um nur einige Beispiele zu nennen. Die schnelle Auffassungsgabe und die sensiblere Wahrnehmung hingegen können ADHS Betroffene vor einem Burnout schützen. Auch die „Überaktivität“ kann eine Stärke sein und zwar nicht , dass Betroffene durch die grössere Energie zuweilen grösseren Anforderungen gerecht werden können, sondern auch, weil die Energie, wenn sie in Bewegung umgesetzt wird eine schützende Wirkung hat: Die ausgeprägte Phantasie hilft den Betroffenen, kreative Lösungen zu finden, in Situationen, die von anderen als auswegslos gesehen werden. Schliesslich ist noch der Hyperfokus zu nennen: in diesem Zustand sind Betroffene zu erstaunlichen Höchstleistungen fähig. Beispielsweise ein Katastrophenhelfer, welcher in den stressigsten Situationen sogar wegen des ADHS Höchstleistungen vollbringt.

Ein Burnout kommt nicht von heute auf morgen, sondern verläuft phasenweise. Ganz zu Beginn stehen an sich unproblematische Motive wie Begeisterung, hohe Motivation, grosses Engagement und Idealismus. Erst wenn sich Enttäuschungen häufen, wenn sich Aufwand und Ertrag nicht mehr die Waage halten, und die erwartete Wertschätzung ausbleibt wird es problematisch. Mögliche Warnsignale für ein beginnendes Burnout sind: Reizbarkeit und Aggressivität, Zynismus, Schwierigkeiten mit Arbeitskollegen, Familie und Freunden, körperliche Symptome, wie Schlafstörungen und Nervosität, sowie psychische Beeinträchtigungen wie Gedankenkreisen. Auch die Erkenntnis, dass der Aufwand nicht mehr zum gewohnten Ertrag führt, ist kann alarmierend sein. Schliesslich gehört auch die soziale Abkapselung dazu.